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Rückblick: Was ich in 3 Monaten Selbstständigkeit gelernt habe

15. Juli 2021


Irgendwie hab ich’s diese Woche mit den persönlichen Geschichten. Oute mich bei Instagram als ehemaliges Mobbing-Opfer (ne schiefe Nase ist halt für die Schulzeit nicht optimal), poste Kommentare von anderen über mich… Und jetzt eben dieser Blog-Artikel, in dem ich zurückgucken möchte auf die letzten drei Monate. Die ersten drei Monate, in denen ich selbstständig gearbeitet habe.


Vielleicht kommt es daher, dass ich mich noch nie so sehr wie ich selbst und noch nie so ok gefunden habe. Weil ich noch nie so sehr bei mir war. Was nicht heißt, dass die letzten Monate ein schöner Spaziergang Richtung Selbstfindung waren. Die waren schon auch Achterbahn, Kopfkino, Schlaflosigkeit. Aber ich würde sie nicht missen wollen.

Überraschung! Das sind also meine Kund:innen...

Ich bin natürlich mit einer gewissen Vorstellung davon gestartet, wer eigentlich mit mir zusammenarbeiten könnte. Oder wollen könnte. Mit wem ich gerne zusammenarbeiten würde. Wer meine Wunschkund:innen sind.


Ich hab‘ ja in der Zeit, bevor ich offiziell selbstständig war, nicht nur rumvegetiert, sondern mich vorbereitet. Weitergebildet. Möglichst viel an Wissen dazu verschlungen. Und natürlich habe ich dabei auch gelernt, meinen Wunschkunden zu entwerfen.


Mein Wunschkunde war männlich, ein bisschen älter als ich mit einem eigenen, eher kleineren Unternehmen. Jemand, der modern und zukunftsorientiert aufgestellt ist und weiß, dass es sinnvoll ist, das Thema Social Media überhaupt anzugehen – und zwar von vornherein richtig.


Mittlerweile weiß ich: Meine Vorstellung hatte nicht besonders viel mit der Realität zu tun.


Die erste Überraschung war, dass es größere Unternehmen sind, die auf mich zukommen. Nicht nur, aber doch ein paar. Firmen aus der Region, die mich aus meiner vorherigen Position kennen, als Leiterin der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit bei der Stadt Bad Berleburg. Das ist im Nachhinein eine schöne Bestätigung meiner Arbeit da.


Die zweite Überraschung war, dass es mittlerweile hauptsächlich Frauen sind, die mich anfragen. Selbstständige und Mitarbeiterinnen in Unternehmen. Damit bestätigt sich etwas, das ich vor ein paar Wochen in einem Online-Kurs gelernt habe: Wunschkund:innen sind uns oft ähnlich. Sie haben eine ähnliche Position wie wir (früher) oder aus anderen Gründen einen Draht zu uns.


Und beides ist total fein. Egal, wer sich bei mir meldet: Es sind bisher immer sehr angenehme Kontakte.

Nein, du tust mir keinen Gefallen, wenn du mich als Selbstständige buchst – und dafür nichts zahlen willst

Die ersten Anfragen sind eingetrudelt, da war ich lange noch nicht selbstständig. Lange bevor ich mit Website, Social Media etc. sichtbar war. Klar, der eine oder die andere hatte es in der Zeitung gelesen, dass ich meinen Job bei der Stadt aufgebe und in die Selbstständigkeit gehe.


Das Einzige, was aus den allermeisten dieser Anfragen entstanden ist: Ärger bei mir.


Der größte Teil der Anfragenden war anscheinend der Meinung, dass es eher ein Gefallen für mich wäre, mich zu buchen. Ich bin ja schließlich noch ganz frisch selbstständig und kann die Arbeit gewiss gebrauchen. Klar, konnte ich. Aber bitte bezahlte Arbeit.

„Eigentlich haben wir dafür kein Budget“, war zum Beispiel so eine klassische Aussage. Nachdem ich einen Preis genannt habe, habe ich dann auch nie wieder etwas davon gehört.


„Den Stundenlohn kann ich nicht zahlen! Das ist ja mehr als das Doppelte von dem, was meine Mitarbeiterinnen verdienen“, war eine andere Antwort. Und ich muss zugeben, dass die mich extrem verunsichert hat. Klar, ich wusste ja, dass man den Stundenlohn von Angestellten niemals mit Selbstständigen vergleichen darf. Äpfel und Birnen und so. Aber trotzdem: War ich am Ende vielleicht zu teuer?


Im Nachhinein bin ich so, so dankbar für diese Verunsicherung. Denn was habe ich natürlich gemacht? Gegoogelt. Und dabei herausgefunden: Der Stundenlohn, den ich genannt habe, befindet sich sogar noch am unteren Ende der Skala von dem, was geht – und nötig ist, um davon leben zu können. Ha!


Außerdem habe ich dadurch die fabelhafte Lilli Koisser gefunden, von der ich seitdem so viel gelernt habe. (Wenn du dich dafür interessierst: Hier ist ihr Blog-Artikel dazu, wie man als Freiberufler:in den Stundenlohn berechnet.) Ohne zu zögern habe ich ihr einen guten Teil des Geldes, das ich im ersten Monat verdient habe, überwiesen – für einen Online-Kurs, mit dem ich mich gerade weiterbilde.


Also ja, es hatte durchaus etwas Gutes, diese Anfragen zu bekommen. Trotzdem muss ich einmal deutlich sagen: Auch wenn jemand gerade erst in die Selbstständigkeit startet, gehört es sich nicht, etwas kostenlos zu erwarten – oder zumindest möglichst billig. Ich habe studiert, ich habe 15 Jahre Berufserfahrung, davon zehn Jahre festangestellt, ich verdiene also eine gewisse Bezahlung. Punkt.


Und ich liebe es, heute wertschätzende Kund:innen zu haben, die gar nicht darüber nachdenken, ob sie meinen Preis zahlen oder nicht. Allerdings arbeite ich mittlerweile auch nur noch selten auf Stundenlohn-Basis, sondern hauptsächlich mit Paketpreisen. (Und noch mal ein Link zu Lillis Blog - zu den Nachteilen des Stundenlohns.)

Ich kann mit Facebook und Instagram Kund:innen gewinnen, ohne tausende Follower zu haben

In den letzten Jahren habe ich Social Media für Arbeitgeber betreut – und zwar meistens größere Accounts. Ok, ein paar sind auch erst im Lauf der Zeit größer geworden, weil ich sie neu aufgebaut habe. Jetzt mache ich diese Arbeit zum ersten Mal für mich selbst.


Deshalb war ich schon gespannt, wie das läuft. Interessieren sich überhaupt Menschen für meine Inhalte? Und wenn ja, wer? Folgen mir in erster Linie Leute aus dem Dorf oder der Nachbarschaft, weil sie neugierig sind, oder Leute, die mich auch wirklich buchen würden?


Die Antwort ist sehr eindeutig: Ja, es interessieren sich Menschen für meine Inhalte und ja, das sind auch Leute, die etwas bei mir kaufen. „Ich habe bei Facebook gesehen, dass…“, „In der Story heute hattest du…“, „Ich folge dir schon länger und jetzt bei Problem X dachte ich, ich schreibe dir mal.“ Das höre oder lese ich so ziemlich bei jeder Anfrage.


Also ja, der Großteil meiner Kund:innen hat mich über Soziale Medien gefunden oder ist zumindest durch meine Beiträge davon überzeugt worden, mit mir zu arbeiten. Ich bin also selbst das beste Beispiel dafür, dass das funktioniert, was ich tue und verkaufe. Schon cool. 😊

Ohne Kaltakquise Kund:innen gewinnen – das geht (zum Glück)

Es ist noch nicht so lange her, da meinte jemand zu mir: „An deiner Stelle würde ich einfach mal Kaltakquise bei den Unternehmen in der Region machen. Die haben doch fast alle noch Nachholbedarf.“


Die Idee ist sicherlich grundsätzlich richtig. Aber: Ich hasse Kaltakquise! Und zwar auf beiden Seiten. Ich verstehe bis heute nicht, was sich Leute denken, die mir bei Instagram eine Nachricht schicken (am besten noch eine Sprachnachricht!) und meinen, sie könnten mich so zu einer Kundin machen. Die können mich so höchstens dazu bringen, sie zu blockieren. Weil mich das einfach hart nervt.


Der Gipfel war, dass jemand anscheinend sogar meine Handy-Nummer herausgefunden hatte und mich anrief. Er wollte meinen Vertrieb optimieren. Ey, du kannst dich mal aus meiner Leitung wegoptimieren! Geh' mir nicht auf den Sack!


Offensichtlich funktioniert es noch oft genug, so Kund:innen zu gewinnen. Von daher ist das ja legitim. Aber: Wenn ich das selbst nicht leiden kann, dann werde ich diesen Weg bestimmt nicht gehen. Ich würde mich überhaupt nicht wohl dabei fühlen, jemandem meine Angebote aufzuschwätzen.


Und es funktioniert ja auch so: Ich werde nach und nach online sichtbarer, gebe dort schon mal ein paar Tipps, zeige mich als Expertin. Wer dann individuelle Unterstützung haben möchte, kommt selbst auf mich zu. Das ist eine ganz andere Basis für eine Zusammenarbeit.

Mist! Ich brauche viel mehr Geduld für eine Selbstständigkeit

Gut, mir war ja klar, dass es nicht von heute auf morgen klappen wird. Irgendwie logisch, dass ich nicht von vornherein von der Selbstständigkeit alleine leben kann. Zumindest nicht, wenn ich mir etwas Gutes aufbauen und nicht 24/7 im Hamsterrad sitzen will.


Ich weiß noch, dass ich vor ungefähr acht, neun Monaten an meinem Business-Plan saß und dachte: „Au weia! Woher sollen denn die Leute kommen, die das Geld reinbringen?“ Das konnte ich mir so gar nicht vorstellen.


Und ja, zumindest die Monate zwei und drei habe ich voll nach unten gerissen. Deutlich unter Plan. Aber irgendwie auch ok, weil der Finanzplan sowieso nur Glaskugel-Guckerei und Milchmädchen-Rechnung ist. Ich sehe für mich, dass es in die richtige Richtung geht und das gibt mir genug Sicherheit – für den Moment.


Aber klar, schneller könnte es immer gehen. Und so denke ich oft darüber nach, was ich noch tun und wo ich noch mal nacharbeiten könnte.


Das ist bestimmt keine schlechte Eigenschaft, aber ich muss dabei Geduld lernen. Gerade auch bei meinem eigenen Thema: Online-Marketing. Ich lerne mehr und mehr über Suchmaschinenoptimierung. Aber für eine gute Platzierung bei Google braucht es Geduld. Und der Community-Aufbau bei Facebook und Instagram geht eben nicht von heute auf morgen. Vertrauen entsteht nicht über Nacht.


Na gut.

Von „Brauche ich als Selbstständige überhaupt einen Steuerberater?“ zu „Nie wieder ohne!“

Ich gebe zu, dass ich damit am Anfang schon gehadert habe. Der Hintergedanke dabei war natürlich, dass ich mit möglichst wenig Kosten starten wollte. Es muss ja erst mal was reinkommen, damit ich es ausgeben kann. Zumindest bin ich so an die Sache rangegangen. Weiß aber auch, dass es umgekehrt durchaus sinnvoll sein kann. 😉


Irgendwie bin ich dann aber da reingeschlittert, das Rundum-sorglos-Paket zu nehmen. Meinen Bürokram mache ich selbst, aber Buchhaltung und Steuer übernehmen die Expertinnen.


Heute frage ich mich, wie ich so verrückt sein konnte, das anders angehen zu wollen. Ich habe jetzt keine Arbeit mit Dingen, von denen ich sowieso keinen hängen habe. Stattdessen kann ich mich voll auf das konzentrieren, was ich wirklich kann und gerne mache.


Dazu habe ich einen netten, unkomplizierten Kontakt, alles läuft digital – und diese Entscheidung hat mir bisher deutlich mehr Geld gebracht (bzw. gespart) als sie mich gekostet hat.

Es war und ist wichtig, mir Unterstützung zu holen

Das knüpft direkt da an: Ich muss nicht alles selbst schaffen und alleine können. Ich darf mir Unterstützung holen, ich darf dazulernen (oder eben auslagern wie im Fall der Steuer).


Das Steuerberatungsbüro war dann auch die Stelle, die mich darauf gebracht hat, mir finanzielle Unterstützung zu holen. Ob ich mal darüber nachgedacht hätte, den Gründungszuschuss der Arbeitsagentur in Anspruch zu nehmen?


Neeee… Ich dachte sowieso, dass den nur diejenigen nutzen können, die schon länger arbeitslos sind. Außerdem… Arbeitsagentur. Ach, lieber nicht. Und außerdem wollte ich es doch alleine schaffen. Hatte ja schließlich ein bisschen gespart.


Ich hab’s mir dann noch mal überlegt. Zum Glück. Da muss ich ganz ehrlich sagen: Die Arbeitsagentur war eine der serviceorientiertesten und hilfreichsten Stellen, mit der ich in den letzten Monaten zu tun hatte. Ganz ohne Ironie. Das war problemlos und ich profitiere jetzt tatsächlich vom Gründungszuschuss. So habe ich finanziell Luft – und kann dadurch natürlich entspannter an die Sache rangehen. Ganz ohne irgendwas wäre es für mein Köpfchen wahrscheinlich nicht ganz so einfach geworden.


Das war sicherlich mit ein Grund dafür, dass ich eben einen großen Teil der Einnahmen aus dem ersten Monat in einen Online-Kurs gesteckt habe. Und damit bin ich beim zweiten Aspekt zum Thema „Unterstützung“.


Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, in mich, mein Wissen und mein Denken zu investieren. Andere sind den Weg vor mir gegangen, sind jetzt schon weiter als ich und können mir helfen. Sie haben Fehler gemacht, die ich vermeiden kann. Oder wertvolle Erfahrungen, die eine Abkürzung für mich sein können.


Am Anfang war das schon Überwindung, so viel Geld in meine Weiterbildung zu stecken. Heute, drei Monate später, bin ich mir völlig klar darüber, dass auf den einen Kurs ein anderer folgen wird. Ich weiß noch nicht, welcher, aber ich möchte niemals auslernen oder mich nicht mehr weiterentwickeln.

Es gibt noch viel zu tun - an und in meiner Selbstständigkeit

Klar, ich hätte auch einfach nur mit einem Laptop und ein paar Visitenkarten starten können. Klinken putzen, das Ohr heißtelefonieren, Kontakte und Empfehlungen nutzen… und so meine Selbstständigkeit angehen können. Ganz ohne eigene Website, Social Media-Kanäle etc. (Wobei ich das schon merkwürdig fänd… Social Media-Beraterin ohne eigene Kanäle. Da würde ich als Kundin stutzig.)


Ich wollte aber nicht in dieselbe Falle tappen wie so viele andere, die freiberuflich arbeiten: Im Hamsterrad sitzen, zwanghaft neue Kundschaft ranschaffen, quasi ständig nur arbeiten oder an die Arbeit denken… Dafür hab ich’s nicht gemacht. Das ist nicht das Leben, das ich mir wünsche.


Und ja, dann gibt’s wirklich noch viel zu tun.


Meine Quartalsplanung für die nächsten drei (na gut, zweieinhalb) Monate ist vielleicht etwas ambitioniert, aber wäre auch ein Wunder, wenn sie das bei mir nicht wäre.


Das habe ich konkret vor:

  • einen eigenen Newsletter rausbringen (im August)
  • zum ersten Mal für mich selbst Anzeigen bei Facebook und Instagram schalten
  • mindestens ein neues Angebot auf meine Website bringen (Texte schreiben lassen)
  • die Website insgesamt überarbeiten und besser für Suchmaschinen optimieren
  • die entsprechenden Weiterbildungen machen, damit ich das auch alles richtig mache 😊


Jo, und Kund:innen habe ich ja auch noch… Also, es bleibt spannend.


Fazit: Es war eine gute Entscheidung, egal wie die Nummer hier ausgeht

Die Zeit war wahrscheinlich einfach reif für die Selbstständigkeit. Vor vier oder fünf Jahren habe ich zum ersten Mal darüber nachgedacht. Da war mir aber eigentlich klar, dass ich mich das (noch) nicht traue. Noch vor drei Jahren hatte ich das Gespräch mit meinem Freund, dass wir beide nicht der Typ für die Selbstständigkeit sind.


Aber als ich in meinem letzten Job an dem Punkt war, dass ich doch noch mal etwas anderes machen wollte, war es im Grunde klar. Immerhin war das der Job, von dem ich jahrelang geträumt hatte. Den hatte ich bekommen und ursprünglich gedacht, ich könnte damit alt werden.


Da war mir sicher: Es würde bei keinem anderen Arbeitgeber besser werden. Zumindest im Moment nicht. Weil ich immer noch nach etwas suche, weil ich mich immer noch ausprobieren muss und will und weil ich noch nicht da angekommen bin, wo ich hinmöchte. Wo auch immer das sein mag. Das werde ich ja hoffentlich in den nächsten Jahren herausfinden.


Nach den ersten drei Monaten kann ich sagen: Es geht mir einfach richtig gut. Klar, manchmal sehe ich mich auch unter einer Brücke leben. An manchen Tagen bin ich zuversichtlich, an anderen glaube ich, dass ich wohl verrückt geworden bin. Aber ich hätte gedacht, dass mir mein Kopf mehr Probleme macht. Weil er sich ja eh so gerne Sorgen macht.


Ich glaube aber, dass dieser Kopf in den letzten Wochen gemerkt hat, dass er fitter ist. Dass er sich freier ausleben kann. Dass es weniger reibt im Alltag. Er sieht, dass sich etwas bewegt – und weiß: Den Rest kriegen wir auch noch hin!

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